Leider gibt es auch bei Kindern in allen Altersgruppen vom Säugling bis zum Jugendlichen eine ganze Reihe von Schlafstörungen, über die man sprechen sollte.
Prof. Dr. med. Ekkehart Paditz
Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Mitglied der Arbeitsgruppe Pädiatrie der DGSM
Foto: Eckhard Joite
Erholsamer Schlaf ist genauso lebenswichtig wie Essen, Trinken und viel Bewegung. Evolutionsbiologen haben herausgefunden, dass sich das Gehirn zunächst zur Steuerung von Bewegungen entwickelt hat. Damit das funktioniert, werden am Tag ausprobierte Bewegungsmuster wie zum Beispiel mit dem Fahrrad fahren im Schlaf im Gehirn gespeichert. Dazu ist der sogenannte REM-Schlaf zuständig, in dem das Gehirn u. a. die Informationen speichert, wie welche Köperbewegungen und das Gleichgewicht miteinander koordiniert werden sollen, damit man beim Fahrradfahren nicht hinfällt. REM bedeutet Rapid Eye Movement (rasche Hin- und Herbewegungen der Augen im Schlaf). Beobachten Sie doch einfach mal Ihr Kind, wenn es schläft. Manchmal huscht ein Lächeln über dessen Gesicht und regelmäßig kann man unter den geschlossenen Augenlidern sehen, wie sich die Augen hin-und herbewegen. Zusätzlich gibt es den Non-REM-Schlaf, der in mehreren Schlafphasen stattfindet. In diesen Phasen werden Gedanken, neue Worte und Bilder gespeichert – und in den Träumen neu sortiert.
Träume finden im REM- und im Non-REM-Schlaf statt. Alpträume sind nervig und können oft sehr gut und einfach – ohne Medikamente – behandelt werden. Träume können aber auch sehr kreativ sein und aus den Baustellen des Tages vollkommen neue Ideen zutage bringen. Der Slogan „Kreativität erfolgt im Schlaf“ hat deshalb einige Berechtigung, wenn man tagsüber neue Informationen gesammelt hat und wenn der Schlaf erholsam ist.
Leider gibt es auch bei Kindern in allen Altersgruppen vom Säugling bis zum Jugendlichen eine ganze Reihe von Schlafstörungen, über die man sprechen sollte; am besten mit dem Kinderarzt oder der Kinderärztin, damit eingeschätzt werden kann, ob weitere medizinische oder psychologische Diagnostik und Behandlung überhaupt erforderlich erscheint oder ob man das Problem schon durch Gespräche mit Hinweisen zur Schlafhygiene lösen kann.
Nächtliches Schnarchen kann bei Kleinkindern zum Beispiel auf eine vergrößerte Rachenmandel hinweisen. Manchmal helfen dabei schon abschwellende Nasentropfen mit einem sehr geringen Kortikoidanteil. Falls das nicht hilft, kann HNO-ärztlich entschieden werden, ob die Rachenmandel mit einem kleinen operativen Eingriff behandelt werden sollte. Kinder und Jugendliche mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom) werden oft als Zappelphilipp wahrgenommen. Viel zu wenig ist noch bekannt, dass diese Kinder sehr oft auch deutliche Einschlafstörungen haben. In den letzten Jahren ist herausgefunden worden, dass diesen Kindern die abendliche Gabe von Melatonin in niedrigen Dosierungen helfen kann.
Melatonin ist ein Hormon, das im Rahmen der Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus wesentlich zum Einschlafen beiträgt. Wenn es dunkel wird, startet die Zirbeldrüse im Gehirn mit der Produktion von Melatonin. Bei Kindern mit ADHS ist die Wirksamkeit von Melatonin zur Verbesserung des Schlafs in mehreren kontrollierten Studien nachgewiesen worden.
Die Behörde zur Zulassung von Arzneimitteln (G-BA, gemeinsamer Bundesausschuss) hat sich kürzlich mit der Frage beschäftigt, ob Melatonin für Kinder mit ADHS ein „Lifestyle-Produkt“ ist oder ein zugelassenes Arzneimittel werden sollte. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) hat sich zu dieser Frage klar geäußert, denn Melatonin sollte im Kindes- und Jugendalter nur dann ärztlich und nur als Arzneimittel verordnet werden, wenn keine organisch bedingte Schlafstörung vorliegt (wie z. B. Atemaussetzer und Schnarchen durch eine vergrößerte Rachenmandel) sowie wenn Hinweise zur Schlafhygiene und psychologische Behandlungsangebote keine Verbesserung gebracht haben. Dieser „Stufenplan“ ist sinnvoll, da die Rachenmandel durch Melatonin nicht verkleinert werden kann sowie weil Schulstress, Streit unter Geschwistern oder andere Sorgen, die den Schlaf stören können, nicht mit Melatonin behandelt werden können.