Wie wichtig ist für Sie der Sport in der Erziehung Ihrer eigenen Kinder?
Sport ist für mich ein äußerst wichtiger Bestandteil in der Erziehung. Gerade in der heutigen Zeit, in der junge Menschen dazu neigen, stundenlang vor irgendwelchen Bildschirmen zu sitzen. Sport erfüllt meiner Meinung nach zwei wesentliche Funktionen: Einerseits legt Sport die Grundlage für eine gesunde Lebensführung. Das ist insbesondere von Bedeutung, weil in Deutschland ca. 15 % der 3- bis 17-Jährigen übergewichtig sind. Außerdem hat Sport auch nachweislich positive Auswirkungen auf die seelische Gesundheit. Daher halte ich es für wichtig, dass junge Menschen regelmäßig Sport treiben. Zum anderen erwerben Kinder und Jugendliche im Sport wertvolle Kompetenzen – sowohl im Miteinander als auch im Hinblick auf die eigene Persönlichkeitsentwicklung. Sie lernen, sich an Regeln zu halten, im Fairplay andere zu respektieren, haben Erfolgserlebnisse, trainieren aber auch den Umgang mit Niederlagen.
Erinnern Sie sich noch an Erziehungstricks Ihrer Eltern?
An konkrete Erziehungstricks kann ich mich nicht mehr erinnern. Was Sport und insbesondere Fußball angeht, mussten meine Eltern aber auch keine Tricks anwenden. Ich war diesbezüglich schon immer sehr ehrgeizig aus eigenem Antrieb heraus. Ich habe immer versucht, vermeintlich geringeres Talent durch umso mehr Engagement und Einsatz auszugleichen. Also habe ich schon als Jugendlicher trainiert, trainiert, trainiert, auch sonntagmorgens. Ich bin zu meinem Vater ins Schlafzimmer gegangen, habe ihn geweckt und dann sind wir zusammen zum Fußballplatz. Unsere Einheiten dauerten eineinhalb Stunden, mein Vater schlug Flanken, warf mir die Bälle zu und feuerte Schüsse auf mein Tor ab, egal, bei welchem Wetter. Wenn es geregnet hat oder der Boden vereist war, kamen oft Leute vorbei und zeigten uns den Vogel. Mir war das egal. Nach einer solchen Einheit war ich zwar müde, aber glücklich, auch wenn mir meine Muskeln weh taten, die Hände glühten oder ich blaue Flecken hatte. Denn ich wusste: Nur so kann ich zum besten Torwart der Welt werden.
Welche Rolle spielt für Sie Bildung & wie denken Sie, dass wir zukünftig Lernen werden?
Inzwischen sollte hinlänglich bekannt sein, dass Bildung eine zentrale Voraussetzung für die Überwindung von Armut und für ein selbstbestimmtes Leben ist. Bildung muss ein Grundrecht für alle sein, unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder anderen Merkmalen. Leider ist dies in vielen Ländern nicht der Fall. Aus diesem Grund setze ich mich mit meiner Stiftung auch für Projekte ein, die Fußball und Bildung innovativ kombinieren. Ich unterstütze den Aufbau von so genannten Safe-Hubs bzw. Fußball-Bildungszentren in sozialen Brennpunkten. Ein Safe-Hub ist dabei viel mehr als nur ein Fußballplatz. Der Fußball bringt die jungen Menschen zusammen, er fördert Teamgeist und Fairplay. Gleichzeitig unterstützen wir die Jugendlichen bei den Hausaufgaben oder der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Der Safe-Hub bietet ihnen Sicherheit und die Chance, ihr volles Potential zu entfalten.
Was das Lernen betrifft, bin ich überzeugt, dass Digitalisierung und Technologisierung großen Einfluss darauf nehmen werden, was und wie wir in Zukunft lernen. Internet und soziale Medien werden eine große Rolle spielen. Viele Schulen hinken zurzeit noch ein wenig hinterher, was die technische Ausstattung und den Umgang damit betrifft. Das bekomme ich auch bei meinen eigenen Kindern mit. Aber ich glaube, dass Kinder künftig voll vernetzt über das Internet lernen werden. Und auch die Rolle des Lehrers wird sich ändern. Eigentlich ist der Lehrer in erster Linie derjenige, der das Wissen vermittelt. Aber schon heute haben viele Kinder und Jugendliche weniger das Problem, Informationen zu einem Thema zu finden, sondern vielmehr mit der Flut an Daten im Internet umzugehen und Inhalte herauszufiltern, die richtig und verlässlich sind. Eine der wichtigsten Aufgaben der Lehrer wird daher in Zukunft sein, den Kindern Medienkompetenz zu vermitteln. Ich gehe davon aus, dass der Lehrer der Zukunft weniger der Übermittler von Wissen sein wird als vielmehr ein Mentor und Helfer.
Glauben Sie, dass Teamsport Kindern und Jugendlichen bei der sozialen Entwicklung helfen kann?
Teamsport ist ein absolut adäquates Mittel, um zentrale Werte wie Teamgeist, Toleranz, Fairplay oder der Respekt vor Regeln zu vermitteln. Im Teamsport erleben junge Menschen Gemeinschaft, Anerkennung und Erfolg. Sie lernen Disziplin und in einer Gruppe gemeinsame Ziele zu erreichen. Kinder und Jugendliche gewinnen Selbstbewusstsein, wenn sie erfolgreich sind, aber auch, wenn sie lernen, mit Niederlagen umzugehen. Das gilt insbesondere für den Fußball. Fußball ist die beliebteste Sportart in Deutschland und hat die meisten Fans weltweit. Der Fußball ist deshalb wie kaum ein anderes Medium in der Lage, Mädchen und Jungen aller Altersklassen und jeglicher Herkunft zu faszinieren und zusammen zu bringen. Über den Fußball kann man jungen Menschen anschaulich zeigen, was es bedeutet, sich Ziele zu setzen. Man kann den Fußball wunderbar nutzen, um jungen Menschen grundlegende Werte zu vermitteln. Auf diesem Wege werden die Kinder und Jugendlichen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gefördert und können gleichzeitig ihre Fähigkeiten ausbauen, die alltäglichen Herausforderungen des Lebens zu bewältigen.
Was war die Inspiration für die Oliver Kahn Stiftung und wie kann man sich die Förderung vorstellen?
Nach meinem Karriereende als Profifußballer habe ich die „ich schaff’s-Tour“ durch bayerische Schulen gemacht. Es ging darum, Schüler zu motivieren, eine Vision zu entwickeln, sich Ziele zu setzen, diese langfristig zu verfolgen, aber auch mit Niederlagen umzugehen. Außerdem wurden die Lehrer im Anschluss in der „ich schaff’s“-Methode geschult, um die Schüler künftig dabei unterstützen zu können, ihre Vision zu verwirklichen. Je mehr Schulen ich besuchte, desto mehr Spaß hatte ich dabei; und auch das Feedback war sehr positiv, sowohl von den Jugendlichen als auch von den Lehrern. Daraufhin habe ich beschlossen, mich langfristig in diesem Bereich für Kinder und Jugendliche zu engagieren. Mit der Stiftung konnte ich dieses Engagement auf ein starkes Fundament stellen. Die Oliver Kahn Stiftung unterstützt seit mehreren Jahren den Aufbau von Safe-Hubs in sozialen Brennpunkten, um dort sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche mit der Kraft des Fußballs zu motivieren und zu fördern. Ein ‚Safe-Hub‘ bzw. Fußball-Bildungszentrum ist ein sicherer Ort, wo junge Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gefördert werden. Jeder Safe-Hub verfügt über einen Fußballplatz sowie ein Bildungszentrum und bietet innovative Nachmittagsbetreuung und ganzheitliche Förderung für Kinder und Jugendliche. Das Konzept wurde von unseren Kooperationspartner AMANDLA EduFootball in Südafrika entwickelt. Wir haben gemeinsam mit AMANDLA bereits drei Safe-Hubs in Südafrika erfolgreich errichten können. Zurzeit unterstützen wir AMANDLA dabei, den ersten Safe-Hub in Berlin zu eröffnen. Wir freuen uns, dieses tolle Projekt jetzt auch nach Deutschland zu bringen.
Bitte erzählen Sie uns doch noch von einer Begegnung, die Sie besonders berührt hat?
Ich kann es nicht an einer bestimmten Begegnung festmachen, aber immer, wenn ich bei den Projekten vor Ort bin, habe ich den Eindruck, dass die Kinder und Jugendlichen alle Informationen und Fähigkeiten, die wir ihnen vermitteln möchten, aufsaugen wie ein Schwamm. Und das Besondere an unserem Fußball-Bildungsprogramm ist, dass wir den teilnehmenden jungen Menschen die Möglichkeit geben, selbst zu Trainern zu werden. Die Trainer kommen also größtenteils aus demselben Umfeld wie die Kinder und sind dadurch sehr glaubwürdig. Es berührt mich sehr und freut mich zu sehen, wie motiviert die Jungen und Mädchen in den Safe-Hubs an unserem Programm teilnehmen und die Chance nutzen, ihre Fähigkeiten auszubauen und die alltäglichen Herausforderungen des Lebens zu bewältigen.