Der Pianist und Komponist David Ianni im Gespräch über Menschen und Musik, Pianos und Projekte, Konzerte und Kinder, Kinder, Kinder.
Herr Ianni, womit fangen wir bloß an! Sie engagieren sich seit langem und weltweit für Kinder, musizieren mit Kindern, haben eine Kinderoper komponiert, sind selbst dreifacher Vater – was ist an Kindern denn so toll?
Ich habe Kinder immer geliebt. Mit dreizehn Jahren habe ich eine „Berceuse“ (Wiegenlied) für meine zukünftigen Kinder komponiert, ein Stück, das ich heute noch regelmäßig im Konzert spiele. Ich hatte also sehr früh die Vorstellung, selbst einmal Kinder zu haben und Vater zu sein. Gott sei Dank ging dieser Traum dreizehn Jahre später in Erfüllung, als ich mit sechsundzwanzig zum ersten Mal Vater wurde.
Mittlerweile haben meine Frau Martina und ich drei Kinder. Besonders fasziniert mich an Kindern, wie bedingungslos sie lieben und im Moment leben. Leider verlieren wir diese Eigenschaften viel zu früh, aber von Kindern können wir lernen, uns wieder mehr an den kleinen Dingen des Alltags zu erfreuen und spielerischer mit dem Leben umzugehen.
Auch in den Videos Ihres Projektes „My Urban Piano“ sind oft Kinder zu sehen; in Episode 7 bemalen Grundschulkinder das Klavier – und nebenbei auch Ihr Gesicht –, auf dem Sie Ihr Stück „Friends“ spielen. Wie kam es zu dem Projekt? Erzählen Sie doch mal von den verschiedenen Episoden.
Ich habe 2016 ein kleines Stück namens „Mama“ für meine Mutter zum Muttertag komponiert und ein Musikvideo für sie aufgenommen, in dem ich das Stück auf bunt bemalten Klavieren in der Stadt Luxemburg spiele, die dort einmal im Jahr quer durch die Stadt aufgestellt werden. Das Video wurde zu einem viralen Hit auf Facebook. Somit war die Idee für mein Projekt schon fast geboren.
Ich durfte mir den Namen „My Urban Piano“ der Stadt Luxemburg ausleihen und arbeitete die Idee aus, Stücke für verschiedene europäische Kulturhauptstädte zu komponieren und sie in diesen Städten auf einem bunten Klavier, das vor Ort von Künstlern, Kindern oder anderen Gruppen bemalt und gestaltet wird, in Form eines Musikvideos aufzunehmen. Es war mir von Anfang an wichtig, Kinder in mein Projekt einzubeziehen. Bereits in der ersten Episode, „Train of Dreams“, wo ich mit dem „Zug der Träume“ meine Reise beginne, waren Kinder als Komparsen beim Dreh dabei. In Aarhus, Dänemark, versammelten sich spontan Kinder und Jugendliche um das Klavier, als wir „Joy“ für Episode 3 aufnahmen.
Und für Episode 7, „Friends“, die mich nach Berlin führte, dachte ich mir eine besondere Aktion mit Grundschulkindern aus, die das Klavier im Musikvideo bemalen sollten. Ich hatte einige Monate zuvor eine liebe Freundin und Musikerkollegin an Leukämie verloren und beschloss deswegen, mit der DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei) etwas Außergewöhnliches für Blutkrebspatienten zu tun. Ich wollte das ernste und traurige Thema Krebs mit Kindern angehen, weil sie Lebenskraft, Freude und Unbeschwertheit wie kein anderer ausstrahlen.
Durch das Bemalen mit der kräftigen Farbe rot bringen sie ihre Verbundenheit mit den Patienten zum Ausdruck. Das „Hoffnungsklavier“, wie wir es liebevoll genannt haben, ging anschließend anlässlich des „World Blood Cancer Day“ mit der DKMS auf eine Zugreise durch ganz Deutschland, wo ich in den großen Bahnhöfen meine Musik für die Menschen gespielt habe. Das Hoffnungsklavier, das die Firma Steinway uns geschenkt hatte, wurde am Ende versteigert, um mit dem Erlös die wunderbare Arbeit der DKMS zu unterstützen.
Episode 8, „Butterflies“, ist der Stadt Wien gewidmet. Für dieses Video arbeitete ich sowohl in Luxemburg als auch in Wien mit Menschen, die eine geistige Beeinträchtigung haben, zusammen. Auch hier sind also gewissermaßen Kinder beteiligt gewesen, da diese Menschen von ihrem Wesen her sehr viel kindliche Freude und Direktheit ausstrahlen und ihre Umwelt damit anstecken.
Für Episode 9 bin ich nach Athen gereist, wo diesmal Kinder mit ihrem Gesang im Mittelpunkt stehen: sie singen ein altes griechisches Gebet, was meiner Meinung nach direkt ins Herz des Zuhörers trifft, viel mehr noch, als wenn ein Erwachsenenchor das Lied gesungen hätte. Ich liebe diese Episode 2 sehr. Sowohl die Stimmen der Kinder als auch die Kulisse Griechenlands sind betörend schön.
Danach habe ich ein Musikvideo für die Kinder Syriens gemacht, „Children of Aleppo“, um meine Trauer über die zutiefst ungerechte Situation auszudrücken, in der diese Kinder aufwachsen müssen, falls sie den Krieg überhaupt überleben. Junge Flüchtlinge aus Syrien singen ein altes syrisches Volkslied, während zum Teil schreckliche Bilder einer syrischen Videojournalistin, die diese Komposition inspiriert haben, gezeigt werden. Jedes Kind sollte in einem Umfeld von Liebe und Frieden aufwachsen dürfen, es ist das grundlegende Recht jedes Menschen!
Mein nächstes Projekt ist eine Hymne für das SOSKinderdorf in Luxemburg, wo ich mit Kindern des Kinderdorfes ein Video produziere. Auch hier macht mich die Ungerechtigkeit betroffen, dass so viele Kinder nicht das Glück haben, geliebt und wohl behütet in ihrer leiblichen Familie aufwachsen zu dürfen. All diese Begegnungen berühren, beschenken und bereichern mich ungemein. Es ist wunderbar, mit der Musik und meinen Klavieren Spuren der Hoffnung und Freude zu hinterlassen. Meine Arbeit erfüllt mich mit großer Dankbarkeit.
Sie haben selbst drei Kinder. Wie gehen Sie als Vater grundsätzlich mit dem Thema „Kindergesundheit“ um?
Gesundheit ist grundsätzlich ein Geschenk, für das wir jeden Tag dankbar sein sollten und das wir andererseits durch gesunde Ernährung, Sport und Seelenhygiene pflegen sollten. In diesem Sinne schätze ich mich glücklich, dass meine Kinder gesund sind und gehe sehr entspannt mit dem Thema um. Wir gehen nur selten zum Arzt. Man kann doch einiges durch einen gesunden Lebensstil beeinflussen und sich bei kleineren Krankheiten mit Naturheilmitteln helfen. Bei ernsthafteren Erkrankungen sollte man natürlich einen guten Arzt aufsuchen und sich die Fortschritte unserer modernen Medizin zunutze machen.
Welche Rolle hat Musik für den kleinen David Ianni gespielt?
Musik hat mir immer geholfen, meine Gefühle zum Ausdruck zu bringen, sie hat mich getröstet, aufgebaut, meine Lebenskraft gestärkt. Am meisten hat die Liebe mich natürlich inspiriert. Besonders als Teenager komponierte ich Stücke für Mädchen, in die ich verliebt war und verarbeitete meinen ersten Liebeskummer mit meinen ersten traurigen Kompositionen.
Mit der Zeit wuchs mein Verständnis von Musik, weg von meinem kleinen Einzelschicksal hin zur spirituellen Beziehung des Menschen zum Leben und zu Gott. Ich glaube, dass die Musik eine wichtige Aufgabe in unserer schnelllebigen Gesellschaft hat: sie kann Stille, Hoffnung, Freude oder Liebe tiefer erfahrbar machen und uns näher zu uns selbst führen, uns an das Wesentliche im Leben erinnern. Musik kann wie kein anderes Medium zu den Herzen der Menschen sprechen und ihre Sehnsucht nach mehr Leben und mehr Liebe wachrufen.
Musizieren Sie mit Ihren Kindern? Oder sind die schon genervt von der ganzen Musik die ganze Zeit?
Für meine Kinder gehört Musik ganz natürlich zum Alltag. Wir hören ständig Musik, alle drei spielen auch ein Instrument, aber noch ist kein Wunsch erkennbar, dass sie einmal in die Fußstapfen ihres Papas treten wollen, und das ist auch gut so. Sie sollen sich frei entwickeln und ohne den Druck aufwachsen, selbst einmal Musik zum Mittelpunkt ihres Lebens zu machen.
Ein Musikinstrument zu beherrschen, ist zweifellos eine Bereicherung. Sollten Eltern ihre Kinder eventuell sogar ein bisschen zu ihrem Glück „zwingen“ (Klavierunterricht etc.), oder muss man da locker bleiben und einfach hoffen, dass die Kids von sich aus anfangen?
Das ist eine schwierige Frage. Ich glaube schon, dass Eltern ihren Kindern oft zu schnell nachgeben, wenn bei ihnen die Lust am Instrument – oder vielmehr am Üben – nachlässt. Wie bei allem Neuen ist die anfängliche Begeisterung bei Kindern und Eltern meist groß, aber sie wird sicher früher oder später nachlassen. Es ist demnach wichtig, seine Kinder vielleicht in Maßen zu ihrem Glück zu „zwingen“, wie Sie sagen, aber man muss auch erkennen und einsehen können, wenn das aktive Musizieren nicht der Weg seiner Kinder ist.
Ich habe leider auch erleben müssen, dass Kindern die Freude an der Musik durch ungesunden Zwang beinahe ausgetrieben wurde. Wir sollten unsere Kinder einfühlsam, konsequent und mit einem gesunden Maß an Disziplin in ihren Hobbys fördern, und sie dabei weder über- noch unterfordern. Doch das ist leichter gesagt als getan. Letzten Endes sollten wir darauf vertrauen, dass wir langfristig zusammen mit unseren Kindern die richtigen Entscheidungen treffen, damit sie sich bestmöglich entwickeln können. Wenn bei einem Kind die Berufung zum Musiker da ist, wird sie in den meisten Fällen erkannt, weil sie sich förmlich aufdrängt.
Kaum ein Musiker oder Künstler sagt laut, dass er mit seiner Musik die Welt verbessern will. Ein Lied ist eben „nur ein Lied“, heißt es immer. Dabei ist doch offensichtlich, dass Musik Menschen sehr stark beeinflussen kann. Wie sehen Sie das? Könnte nicht nächste Woche ein Song rauskommen, der alles verändert? Vielleicht einer von Ihren!?
Musik wird den ersehnten Weltfrieden nicht herbeiführen können. Aber sie kann die Menschen auf einer tiefen Ebene berühren und so Spuren in uns hinterlassen, die uns in unseren Entscheidungen und unserem sozialen Verhalten beeinflussen. Ich freue mich, wenn meine Musik tiefgründige Begegnungen und Erfahrungen bei einzelnen Menschen herbeizuführen vermag. Forcieren kann man das freilich nicht, aber ich glaube, dass ehrliche, gute, schöne Musik, die aus einer inneren Notwendigkeit heraus geboren wird, früher oder später immer auf fruchtbaren Boden fallen wird.
Information
Erfahren Sie mehr über David Ianni auf seiner Website www.davidianni.com.