Die Diagnose Multiple Sklerose (MS) ist ein Einschnitt, der viele Fragen und Ängste mit sich bringt, besonders wenn es um den Kinderwunsch geht. Doch die gute Nachricht ist: MS und Familiengründung schließen sich nicht aus. Dank medizinischer Fortschritte und einer individuell angepassten Betreuung können Menschen mit MS ihre Familienplanung selbstbestimmt gestalten.
Kinderwunsch und Vererbung: Fakten statt Mythen
Die Angst vor einer Vererbung der MS ist weit verbreitet, aber wissenschaftliche Erkenntnisse geben Entwarnung. MS ist keine klassische Erbkrankheit. Es gibt kein einzelnes Gen, das die Erkrankung auslöst. Das Risiko, dass ein Kind von einem Elternteil mit MS ebenfalls erkrankt, liegt bei etwa 2 %. Selbst bei beiden betroffenen Elternteilen liegt die Wahrscheinlichkeit bei 20 %.
Die Entstehung von MS ist ein Zusammenspiel von genetischer Veranlagung und Umweltfaktoren. Diese Erkenntnis und die untergeordnete Rolle der genetischen Faktoren bei der Entstehung von MS zeigt, dass die Erkrankung kein Grund ist, auf den Kinderwunsch zu verzichten und das Risiko, die Krankheit genetisch weiterzugeben gering ist.
MS & Schwangerschaft: Schließt sich nicht aus
Das Fortschreiten einer MS wird durch eine Schwangerschaft nicht begünstigt. Diese wirken sogar oft schützend, sodass die Schubrate – insbesondere im zweiten und dritten Trimester – deutlich absinken kann. Nach der Geburt kann das Risiko für Schübe kurzfristig wieder ansteigen, stabilisiert sich jedoch in der Regel auf das vorherige Niveau. Die Schwangerschaft selbst birgt für MS-Patientinnen keine erhöhten Risiken. Weder Komplikationen wie Fehlgeburten noch Einschränkungen bei der Geburt treten häufiger auf. Frauen können frei entscheiden, ob sie eine natürliche Geburt oder einen Kaiserschnitt bevorzugen.
Stillen: Natürlicher Schutz für Mutter und Kind
Stillen stärkt die Bindung zwischen Mutter und Kind und bietet zahlreiche gesundheitliche Vorteile. Muttermilch enthält Antikörper, die das Immunsystem des Babys unterstützen. Gleichzeitig zeigen Studien, dass Frauen, die nach der Geburt ausschließlich stillen, seltener einen MS-Schub erleiden.
Das Hormon Prolaktin, das während des Stillens ausgeschüttet wird, verzögert den Wiedereintritt des weiblichen Zyklus. Dadurch kann das Schubrisiko reduziert werden. Sollte dennoch ein Schub auftreten, stehen sichere Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Medikamente wie Kortikosteroide können eingesetzt werden, wobei nach der Einnahme eine kurze Stillpause empfohlen wird. Eine frühzeitige und enge Zusammenarbeit mit Neurologen und Gynäkologen ist entscheidend, um die bestmögliche Betreuung sicherzustellen.
Weitere Informationen und hilfreiche Tipps finden Sie auf der Plattform „Leben mit MS“:
Therapie und Familienplanung: Was ist zu beachten?
Die Frage, ob und wie MS-Therapien während der Schwangerschaft oder Stillzeit fortgesetzt werden können, hängt von der individuellen MS-Medikation ab. Einige Medikamente sind zur Verwendung während der Schwangerschaft oder in der Stillzeit zugelassen, andere müssen angepasst oder pausiert werden. Bei anderen Therapieformen gibt es die Option eine therapiefreie Zeit zur Planung einer Schwangerschaft und während der Stillzeit zu nutzen. Es besteht bei diesen Therapieformen dank des langanhaltenden Therapieeffekts auch über die Einnahme hinaus ein Therapieschutz.
Für Männer mit MS stellt sich die Frage, ob ihre Therapie Einfluss auf die Familienplanung hat. In den meisten Fällen gibt es keine Einschränkungen, dennoch ist eine Abstimmung mit dem behandelnden Arzt sinnvoll, um den besten Zeitpunkt für die Familienplanung zu bestimmen. Jedoch sollte auch hier der Zeitpunkt der Zeugung geplant werden, da bei einigen Therapien eine Verhütung zum Einnahmeund Verabreichungszeitpunkt notwendig ist.
Die Erkenntnis der Beteiligung von Umweltfaktoren und die untergeordnete Rolle der genetischen Faktoren bei der Entstehung von MS zeigt, dass die Erkrankung kein Grund ist auf den Kinderwunsch zu verzichten.
Wieder in den Alltag finden: Nach der Geburt
Nach der Geburt stehen nicht nur die Bedürfnisse des Kindes im Fokus, sondern auch die Stabilisierung der Mutter. Das Risiko für Schübe kann unmittelbar nach der Geburt ansteigen und sinkt dann langfristig wieder auf das Niveau, das vor der Schwangerschaft bestand. Deshalb sollte die Familienplanung mit dem behandelnden Arzt im Vorfeld besprochen werden um die Therapieoptionen nach der Geburt vorab zu besprechen. Regelmäßige medizinische Kontrollen und ein strukturierter Alltag helfen, das Wohlbefinden zu fördern und mögliche Symptome frühzeitig zu erkennen.
Ein erfülltes Familienleben trotz MS
Die Diagnose MS bedeutet nicht, dass der Kinderwunsch unerfüllt bleiben muss. Mit fundierten Informationen, einer sorgfältigen Planung und der Unterstützung eines kompetenten medizinischen Teams können Menschen mit MS ihre Familienplanung aktiv gestalten.
INFORMATION
Multiple Sklerose (MS) ist eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, von der in Deutschland mehr als 200.000 Menschen betroffen sind. Durch eine Reaktion des Körpers auf die eigenen Nervenzellen wird die Schicht, mit der normalerweise Nervenbahnen geschützt werden und die deren Leitfähigkeit verbessern, die sogenannten Myelinscheiden, zerstört. Die Ursache dieser autoimmunen Reaktion ist bisher nicht bekannt.
Quelle: Kompetenznetzwerk Multiple Sklerose