Ist es nicht sonderbar, dass der Mensch das wohl einzige Lebewesen ist, dass zwischen Spielen und Lernen unterscheidet?
Sana Tornow
Expertin für digitale Anwendungen im Bereich der Bildungs- und Unterhaltungspädagogik
(Foto: Christian Meyer)
Solange wir Kinder sind, lernen wir, indem wir spielen und uns spielerisch unsere Umgebung erschließen. Lösungen für vermeintliche Probleme finden wir über das Spiel und spielerisch wird erprobt, welche Entscheidung auf welchen Weg und somit zu welchem Ergebnis führt. Gewiss erinnerst Du Dich, dass sich dieses unbeschwerte Vorgehen spätestens mit dem Eintritt in den Schulalltag änderte. Ab dem Zeitpunkt wird Lernen und Spielen zumindest hierzulande noch immer strikt getrennt.
Gerade das institutionalisierte Lernen in der Schule manifestiert diese Beobachtung. In unserer Gesellschaft ist Lernen etwas Ernsthaftes, das mit Arbeit zu tun hat und Spielen findet hingegen ausschließlich zum Vergnügen statt. Schau bei Dir selbst, wo bist Du spielend anzutreffen, während Deiner Arbeits- oder doch eher während Deiner Freizeit?
Wie bereits in der Schule findet auch im Berufsleben eine Trennung von Spielen und Lernen statt. Spielen erzeugt Freude und versorgt Dich mit neuer, frischer Energie. Wenn unser Gehirn etwas mit positiven Emotionen verknüpft, dann wird es sich merken, was da gerade passiert ist, um dieses positive Gefühl bald wieder zu erleben. Du kennst dieses Phänomen bereits. Der Moment, indem Du etwas verstanden oder gelernt hast, erzeugt eine enorme Freude in Dir, wie das Besiegen des Endboss im Videospiel. Dein Gehirn schüttet das Hormon Dopamin aus und verknüpft Deine positive Emotion mit dem Gelernten. So bleiben Zusammenhänge – ob nun Handlungen oder theoretische Betrachtungen – in Deinem Gedächtnis und können später wieder abgerufen werden. Spielen und lernen sind sich ähnlicher, als Du vielleicht denkst. So, wie Du spielerisch denkst und lernst, kannst Du auch spielerisch arbeiten und interessanter Weise ähnelt unsere Art wie wir spielen oft der, wie wir arbeiten. Denk nur daran, wie strukturiert und ernsthaft Du zuweilen beim Spielen, z.B. bei einer Schachpartie, bist.
Kür ist es, die eigenen mentalen Verknüpfungen zu den Informationen während des Lernens herzustellen. Wenn wir es schaffen, einen einzigartigen, mentalen Kontext zu erzeugen, wird das neu erworbene Wissen vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis übergehen. Dies gelingt, indem wir während des Lernens mehrere unserer Sinne aktivieren, also z.B. nicht nur das Hören oder Lesen allein, sondern das Zusammenspiel unserer Sinne mit dem Lerngegenstand und unserer Person. Es ist darauf zu achten, wo sich Anknüpfungspunkte z.B. zum bisherigen Wissen oder Können bieten und was die Bedeutung des Neuen für uns darstellt.
Allerdings haben nicht nur positive, sondern auch negative Gefühle diesen Effekt, denn unser Gehirn merkt sich nicht nur den Lerngegenstand besser, sondern die Emotion gleich mit, damit wir zukünftig wissen, was sich gut anfühlt und was nicht. Zudem bedeutet es, dass wir uns den Druck, die Langeweile, die Prüfungsangst von einer suboptimalen Lernumgebung mitmerken und das Gelernte schließlich nicht mehr freudig und kreativ anwenden können. Das Schaffen von Interaktionen zwischen dem Lernenden und das Auslösen von positiven Emotionen durch soziale Belohnungen oder Rückmeldungen, sind somit gute Wege, um emotionale Reaktionen auf den Lerngegenstand zu wecken. Des Weiteren ist das Erzeugen einer positiven emotionalen Reaktion entscheidend für die Verbesserung der Lernergebnisse.
Das AGES-MODELL
Dieses Modell beschreibt eindrücklich, wie eng Spielen und Lernen zusammenhängen und bricht somit mit einigen Traditionen, die wir uns in Schule, Studium und Ausbildung angeeignet haben. Optimales und somit nachhaltiges Lernen in Schule und im Beruf ist ohne spielerische Ansätze nicht möglich.
A – Attention Lerninhalte aktiv gestalten
G – Generation Viele Anknüpfungspunkte nutzen, da unser Gehirn sich auf Dauer besser Zusammenhänge merkt.
E – Emotion Das Wecken von Emotionen während des Lernens verbessert die Beibehaltung des Lerngegenstandes, denn unser Gehirn merkt sich Sachen umso besser, je emotionaler sie geprägt sind.
S – Spacing Wenn wir in größeren Abständen lernen, können wir Informationen nachhaltiger aufnehmen, als wenn wir große Mengen an Informationen am Stück aufnehmen.