Lisa Reinheimer ist Schulglücksbringerin, Lehrerin und Lerncoach. Eltern und Pädagogen erfahren bei ihr, wie sie ihre Kinder durch eine schöne Schulzeit begleiten können. Ihre Vision ist es, dass jedes Kind eine glückliche Schulzeit und damit den perfekten Start ins Leben hat. Wie das gelingt, erzählt sie im Interview.
Was ist ein Klassenheld?
Ein Klassenheld ist nicht der Überflieger-Prototyp. Also kein Schüler, der in allen Fächern durchgehend eine hervorragende Performance abliefert. Ein Klassenheld zeichnet sich vielmehr durch seine innere Haltung aus, die besagt: Ich lerne nicht für die Schule, sondern für ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben und kann in meinem Leben alles lernen, wenn ich konsequent dranbleibe und übe.
Ein Klassenheld weiß, was ihm guttut, und geht infolgedessen achtsam mit sich und seinem Umfeld um. Ein Klassenheld ist neugierig und offen. Er liebt Herausforderungen und hat keine Angst vor Fehlern.
Ein Klassenheld hat auch erkannt, auf welche Weise, mit welcher Methode er am besten lernt, und praktiziert dies daher mit Freude und Motivation.
Ein Klassenheld übernimmt Verantwortung und steht für sich und andere ein. Resultate erkennt er als Folge des eigenen Handelns an und schiebt die Verantwortung dafür nicht anderen zu.
Ein Klassenheld hat starke Zukunftskompetenzen, denn er entwickelt bewusst und kontinuierlich alle Eigenschaften, die er benötigt, um positiv und vertrauensvoll in seine Traumzukunft zu blicken, in die er Tag für Tag schreitet.
Unsere Kinder durchleben gerade eine schwierige Zeit.
In der Tat wurde und wird von den Kindern derzeit über Monate hinweg Enormes gefordert. Aufgrund von Homeschooling sind besonders die sozialen Kontakte erheblich beeinträchtigt. Kinder können ihre Freunde nicht mehr persönlich treffen und auch sämtliche Highlights wie Geburtstagsfeiern oder Schulfeste können nicht gemeinsam gefeiert werden. Auch kann Homeschooling den direkten Kontakt zur Lehrkraft nicht ersetzen. Doch nicht nur von den Kindern, auch von den Eltern verlangen diese neuen Rahmenbedingungen viel ab. Studien belegen: In Familien wird derzeit viermal häufiger gestritten.
Wie können wir sie stärken?
Diese herausfordernde Zeit birgt auch viele Chancen. Als Erstes sollten Eltern den Druck rausnehmen und damit verbunden auch einen Überanspruch an Perfektion. Statt sich beispielsweise darauf zu fokussieren, dass eine Teilaufgabe der Hausaufgaben nicht erledigt wurde, können Eltern das große Ganze sehen, also die Entwicklung, die ihr Kind kontinuierlich macht. Eltern haben aktuell auch die Chance, sich ganz bewusst Zeit für ihr Kind zu nehmen – und übrigens auch für sich selbst. Denn nur wenn die Eltern selbst ausgeglichen sind, fällt es leichter, das Kind durch den Alltag zu begleiten und Ruhe, Zuversicht und Stabilität auszustrahlen. Dabei kann eine klare Tagesstruktur mit kleinen Ritualen helfen. Zudem bietet diese besondere Zeit auch die Chance, andere Dinge zu lernen, bei denen nicht die Schule im Fokus steht, beispielsweise ein kleines Beet anzulegen oder ein Vogelhäuschen zu bauen.
Was sollte man tun, wenn die Motivation im Keller ist?
Zunächst sollten wir verstehen, dass Motivation nicht an 365 Tagen im Jahr als Dauerhoch auftritt, sondern ganz normalen Schwankungen unterliegt. Wenn wir dies nicht nur begreifen, sondern auch annehmen können, nehmen wir auch hier den Druck raus. Denn Leben bedeutet stetigen Wandel und auch diese Zeit wird vorübergehen und von einer anderen Phase abgelöst werden. In dieser besonderen Zeit können wir also lernen, Geduld, Mut und Zuversicht zu üben.
Dazu gehört zum Beispiel auch, mit Langeweile umzugehen. Eine Zeit der Langeweile bedeutet auch eine Zeit der Unabhängigkeit. Ein Zeitraum, der nicht von Eltern oder Lehrern verplant ist. Denn durch die „beschäftigungslose“ Zeit lernen Kinder, sich selbst zu organisieren. Langeweile geht zudem stets einher mit Selbstreflexion.
Hier kann das Kind seine Interessen und Stärken herausfinden – ein wichtiger Moment, um sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und die eigene Kreativität zu entdecken. Diese besondere Zeit bietet viele Chancen, die eigene Persönlichkeit sensibler wahrzunehmen und sie zu festigen. Kreative Ideen umzusetzen, sich eigenverantwortlich zu organisieren, die eigene Resilienz zu stärken – wertvolle Schlüsselkompetenzen für das Leben, die im klassischen Unterricht nicht immer vermittelt werden.
Jedes Kind ist anders. Was sollte sich, deiner Meinung nach, im Schulsystem ändern?
Statt einer Defizitorientierung und damit eng verbunden des Vergleichs mit anderen sollten wir die individuellen Stärken des Kindes bewusst wahrnehmen und diese stärken. Denn wir sollten uns bewusst machen, dass eine klassische Schulnote nur bedingt widerspiegelt, welches Potenzial und welche Fähigkeiten ein Kind tatsächlich in sich trägt. Unser Bewertungssystem ist eng mit einem Vergleichssystem verbunden, leider ohne zuverlässige Aussagekraft, welche Fähigkeiten ein Kind in all seiner Fülle tatsächlich aufweist. Ein Weg aus dieser Sackgasse wäre sicher ein innovativer Maßstab, der nicht auf Vergleich angelegt ist, sondern auf die individuelle Entwicklung des Kindes. Somit wäre der Anspruch, jedem Kind gerecht zu werden. Denn jedes Kind hat seine ganz besonderen Fähigkeiten, seine eigene Persönlichkeit und auch sein individuelles Lerntempo. Mein Motto ist daher: Stärken stärken, Schwächen managen lernen.
Was vermisst du im Schulsystem?
Den Spirit, jedes Kind ganzheitlicher zu betrachten. Wir wissen, was eine Schulnote, insbesondere eine mittelmäßige oder schlechte Note, mit der Psyche eines Kindes macht. Mangelhaft oder ungenügend sind starke Worte, die das Selbstwertgefühl eines Kindes nicht nur beeinträchtigen, sondern sogar erschüttern können. So kann zum Beispiel ein Kind über einen längeren Zeitraum hinweg durchgehend gute Leistungen erbringen und erzielt dann aufgrund bestimmter Umstände singulär eine schlechte Beurteilung in Form einer Note. Diese Note spiegelt eine Momentaufnahme zu exakt diesem Zeitpunkt und im Rahmen der individuellen Situation des Kindes wider, reflektiert jedoch weder die Gesamtsituation noch die Gesamtentwicklung, in der sich das Kind befindet.
Das Kind ist jedoch in der Regel mit dieser Differenzierung „Meine Leistung zu diesem Zeitpunkt zu diesem Thema war ungenügend, nicht meine Gesamtleistung, nicht meine Persönlichkeit, nicht ich als Mensch mit all meinen Eigenschaften“ überfordert beziehungsweise oftmals gar nicht fähig, diese wahrzunehmen und einzuordnen, und bezieht diese singuläre Wertung auf seine gesamte Persönlichkeit – mit teilweise schwerwiegenden Folgen. Es entstehen Glaubenssätze wie „Sprachen sind nicht so meins“, „Ich hab’s nicht mit Zahlen“, diese prägen uns auch noch als Erwachsene, hindern uns an Wachstum, limitieren uns. Zielführender und motivierender für das Kind ist es deshalb, wenn wir seinen gesamten Weg und Entwicklungsprozess betrachten, einordnen und bewerten: seine Lernfreude, seine Motivation, seinen Eifer, seinen Einsatz, seine Ausdauer, sein Engagement. Und damit verbunden genau die Ergebnisse und Erfolge, die das Kind aufgrund dieser Eigenschaften und dieses Handelns erreicht. Denn jedes Kind ist auf seine ureigene Art großartig und einzigartig, dies sollten wir stets im Blick behalten und uns nicht nur auf die rein schulischen Leistungen fokussieren.
Individuelle Förderung – was fällt dir dazu ein?
Jedes Kind hat seinen individuellen Fingerabdruck und seine eigene Persönlichkeit.
Und jedes Kind hat auch seinen eigenen Lernstil – über das Sehen, über das Hören, über die Interaktion, über die Reflexion in der Stille oder im lebhaften Austausch in der Gemeinschaft. Diese Erkenntnisse könnten wir im Schulalltag noch viel mehr berücksichtigen und einbeziehen, indem wir starre Strukturen aufbrechen und lockern und den Kindern Lernkompetenzen vermitteln. So können sie begreifen, warum es sinnvoll ist, etwas zu lernen, und auch selbst entscheiden, wie sie am besten lernen. Am stillen Rückzugsort oder im Austausch in der Gruppe, am klassischen Schultisch oder am Stehpult, im Klassenzimmer oder im grünen Umfeld des Pausenhofs.
Dabei sollten die Vorstellungen der eigenen Schulzeit losgelassen werden. Schule und lernen bedeutet nicht zwangsläufig, dass man am Tisch sitzend ein Arbeitsblatt bearbeitet. Nein, wichtig ist, dass Kinder lernen – egal wo und wie.
Bitte gib uns 5 Tipps für eine unvergessliche Schulzeit.
1. An die Kinder glauben und ihr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten stärken.
2. Die Anstrengungen und den Gesamteinsatz des Kindes wertschätzen, statt sich auf singuläre Ergebnisse (Noten) zu fokussieren.
3. Mit Fehlern konstruktiv umgehen, denn aus unseren Fehlern lernen wir.
4. Ganz wichtig: Selbst Vorbild sein und aktiv vorleben, mit sich selbst nicht zu hart ins Gericht zu gehen, wenn Fehler passieren.
5. Negative Erfahrungen aus der eigenen Schulzeit nicht auf das Kind übertragen.
All die kleinen, wundervollen Geschichten, die Menschen mit Menschen gemeinsam schreiben: Klassenfahrten, Projekttage, der tägliche Schulweg, die Lieblingslehrerin, der Geruch im Klassenzimmer, die Pausenklingel, die Abschlussfeier.
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